Ein Plädoyer für den Spiele-PC angesichts des Konsolen-Hypes nach dem Launch der Next-Gen-Modelle. Ein Beitrag voller Fakten, Zahlen und Statistiken, aufgelockert mit einer Prise Geschwafel, garniert mit einem hoffnungsvollen Ausblick in die nahe Zukunft und einem subjektiven Einblick in die Praxis des PC-Eigenbaus.
Der PC ist tot, es lebe der PC! So oder so ähnlich lesen sich zahlreiche Beiträge aktuell im Netz wie auch in einschlägigen Printmedien. Auf der einen Seite wird mal wieder der schnelle Tod oder das langsame Dahinsiechen, jedenfalls der unaufhaltsame Untergang des heimischen Rechenknechts beschworen, auf der anderen Seite ein Revival, einem Phönix aus der Asche gleichender Neubeginn, wenn nicht sogar eine sich anbahnende PC-Revolution propagiert. Liegt die Wahrheit in diesem Fall aber wirklich in der goldenen Mitte? Sicherlich, eines ist klar, es wird in wenigen Jahren kaum noch etwas so sein, wie es bisher war in der Welt der Personal Computer. Ich höre euch sagen, das habe ich in der Vergangenheit aber schon ein paar Mal gehört? Ja, mag sein und natürlich hat sich auch bereits einiges verändert, aber nichtsdestotrotz scheinen wir aktuell im Jahre 2014 an einem Wendepunkt zu stehen, zumindest was die aktuellen Entwicklungen auf dem Markt bezüglich Angebot und Nachfrage betrifft, sowie die Verlagerung des Spielerverhaltens in Richtung Konsolen, Tablets und Smartphones und vor allem wenn man einen genaueren Blick auf die kurz- und mittelfristigen Pläne der Industrie zu werfen bereit ist.
Was bedeutet das aber nun für den klassischen, meist schon älteren PC-Gamer (40+) wie du und ich, der seine liebgewonnenen Angewohnheiten im Lauf der Jahre nur ungern aufgeben möchte, der weiterhin im Schweiße seines Angesichtes in offenen Gehäusen herumbasteln und mit unterschiedlichsten PC-Komponenten jonglieren möchte und gewiss nicht den einfachen Weg über meist unbefriedigende Komplettsysteme oder gar Konsolen gehen will? Woran kann und soll sich dieser orientieren, wenn er seinem Hobby möglichst unverändert, aber mehr als bewusst, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, in naher Zukunft noch frönen möchte?
Das Nachvollziehen der aktuellen Problematik setzt eine gewisse Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation auf dem Spiele-PC-Sektor hierzulande voraus, gepaart mit dem Wunsch, althergebrachte Konventionen zu überwinden und den Status Quo in gewisser Hinsicht hinter sich zu lassen. Hier ist zuerst mal ganz praktisch das herkömmliche Erscheinungsbild des typischen deutschen Spiele-Rechners mitsamt Peripherie und Verortung zu betrachten. Will ich weiterhin angesichts neuer Tablets, Smartphones, der XBox One, der Playstation 4, den SteamBoxes, Mac Pros, Media Centern und HTPCs auf einen langweiligen, lauten und nicht selten potthässlichen 08/15 Staubfänger-Tower unterm Schreibtisch setzen, der zwar so toll modular, aber aufgrund seiner schieren Größe und Formats, fest verwurzelt an einem bestimmten Ort im Raum, doch nur wieder Spiel- und Arbeitsplatz vereinend, die Tristesse des PC-Spiele-Alltags erneut auf Jahre verkörpern wird? Eine Sackgasse!
Nachdem in den letzten Jahren klar wurde, dass das Gaming-Notebook, und wir reden hier von einem echten Desktop-Gaming-PC-Ersatz, aufgrund des beschränkten Formfaktors, der stark eingeschränkten Aufrüst- und Umbaumöglichkeiten, der festgelegten Gerätekonfiguration, der Lautstärke und nicht zuletzt des viel zu hohen Preises wegen keine echte Alternative darstellte, erschien mit Valves Ankündigung der Steam Boxes vermeintlich ein Silberstreif am Horizont. Schnell wurde aber klar, dass Valve dieses Großprojekt viel zu unkontrolliert angegangen ist. Es mag die Vorsicht gewesen sein, das Wagnis SteamBox und somit das unternehmerische Risiko auf viele Schultern der PC-Industrie verteilen zu wollen und lediglich die Software mitsamt Controller als kleinsten gemeinsamen Nenner einzuführen, wer weiß. Eine kleine Revolution kann es aber immer noch werden, behutsame Innovationen, vorsichtige Restriktionen, gelungenes Marketing und weniger Beliebigkeit vorausgesetzt.
Nur leider entsprechen die bislang präsentierten Geräte keinesfalls dem Anspruch eines umbaufähigen, aufrüstbaren und vor allem leistungsstarken PC-Boliden im handlichen Format. Schließlich wollen wir am besten gleich heute ein neues Gerät, das uns über die nächste Zeit rettet, und können und wollen nicht auf die träge Industrie warten, die erst Verkaufserfolge begutachten und Marktverhalten analysieren möchte und anfangs lieber mit der Mittelklasse flirtet. Außerdem ist nicht jeder Gamer bereit, so ohne weiteres auf Linux zu setzen. Nachdem Microsoft mit Windows 7 und Windows 8.1 eine zufriedenstellende Spielumgebung abgeliefert hat und der Redmonder Konzern sich in Zukunft wieder vermehrt dem Spielen auf PC widmen möchte, gibt es für PC-Gamer keinen wirklichen Grund, Abstriche zu machen oder sich gar eine Konsole zu kaufen, auch wenn eine Playstation 4 schon ein ziemlich verlockendes Kästchen ist.
Letztlich ist die Entscheidung eine grundsätzliche. Die Vorteile eines PC, welches OS auch immer darauf laufen mag, liegen seit Jahren auf der Hand: offenes System, freie Erweiterbarkeit, Aufrüstmöglichkeiten, Modding, Zugang auf Codeebene, Entwicklerplattform, Nutzung jenseits des Gamings, Virtualisierung, Serverbetrieb, Emulation, kostengünstigere Spiele und nicht zuletzt die meist bessere grafische und allgemein technische Performance im Vergleich zu anderen Spieleplattformen. So weit so gut, nur wo soll es hingehen, wo bleibt das Neue, wo die Innovation oder gar die Revolution? Mal langsam, bleiben wir auf dem Teppich, es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird, die PC-Landschaft wird sich bestimmt nicht über Nacht umkrempeln. Eine Evolution jedoch findet bereits heute statt. In diesem Zusammenhang würde ich aufgrund der Relevanz, der Nachvollziehbarkeit und nicht zuletzt aufgrund der Besonderheit hiesiger Verhältnisse mich hauptsächlich auf den deutschen Markt beschränken wollen. Wie ist es denn bei uns im Land tatsächlich um den PC bestellt? Deutschland, ein PC-Land? Zumindest war das viele Jahre lang so. Bemühen wir doch diesbezüglich ein paar Statistiken.
Über 85% der deutschen Haushalte besitzen einen Computer, damit ist Deutschland auf Platz 9 weltweit. Was das tatsächliche Spielen auf den Geräten angeht — gemeint ist nicht nur das sporadische Klicken auf eine App in Facebook — sieht das laut Erhebungen der BIU (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware) aus dem letzten Jahr so aus: Mit über 25 Millionen Computerspielern, Tendenz stark steigend, ist Deutschland in Europa die Nummer 2 nach Großbritannien, wobei dort im Verhältnis mehr Konsoleros leben. Neueste Statistiken gehen inzwischen von knapp 30 Millionen Spielern hierzulande aus, wir belassen es aber erstmal bei verlässlicheren Werten. Fiel bei uns im Jahre 2011 das Verhältnis zwischen PC-Spielern und Konsolen-Zockern mit 60 zu 40 noch zugunsten der Rechenknechtler aus, hält es sich aktuell so ziemlich die Waage. Wobei Umfrageergebnisse der BITCOM, wonach jeder dritte Deutsche auf einer Konsole spielen soll, mit Vorsicht zu genießen sind, da gleichzeitig Erhebungen verdeutlichen, dass die Konsolen der neuesten Generation häufig als Multimediazentrale für Filme, Musik, Surfen und Sport in die Wohnzimmer einziehen. Den rasant wachsenden Markt der Smartphones und Tablets, vor allem der Produktgruppe der „Ultramobiles“ mit Atom-Prozessor und Windows 8, lasse ich mal komplett außen vor, da diese in den nächsten Jahren den Markt zwar immens umkrempeln, aber immer noch eine gänzlich andere Art der Spielerfahrung bieten werden.
Ein weiteres Problem, das für ein verzerrtes Bild sorgt, ist die mediale Aufbereitung und Präsentation von Soft-und Hardware-Verkäufen in der Presse, zumindest was den PC- und Konsolenmarkt betrifft. Gerne wird da von doppelt so hohen Umsätzen mit Konsolentiteln gesprochen wie mit PC-Spielen, was sich letztes Jahr laut BIU erneut mit über 862 Millionen Euro auf Konsolenseite und mit 392 Millionen auf PC-Seite manifestierte. Klarer wird das Bild, wenn man die Durchschnittspreise der Computerspiele zum Vergleich heranzieht. Letztes Jahr kostete laut BIU/GfK ein PC-Titel hierzulande im Schnitt 16,69 Euro. Dem standen 36,71 Euro für stationäre und 28,55 Euro für mobile Konsolen gegenüber. Diese Tatsache relativiert auch die großen Unterschiede bei den Anschaffungskosten der verschiedenen Plattformen.
Trotz der Zerklüftung des PC-Marktes in den letzten Jahren, was auf der einen Seite einen Verkaufsrekord für Mittelklasse-Notebooks und Tablets, auf der anderen Seite einen starken Rückgang bei Komplettsystemen und Netbooks zur Folge hatte, existiert ein starker und weiterhin wachsender Markt für PC-Gaming-Hardware, was aufgrund seiner Inhomogenität so kaum in den Medien präsent ist, wenn man den Marktforschern von Jon Peddie Research Glauben schenken darf. Diese halten den Markt für PC-Gaming Hardware mit fast 16 Milliarden Euro weltweit für doppelt so groß wie den für Konsolen-Hardware. In diesem Fall wiederum ist die Betrachtung von verkauften Stückzahlen weniger aussagekräftig als der damit erzielte Umsatz. Jon Peddie Research unterteilt die PC-Gaming-Kundschaft in drei Gruppen, die für den hohen Umsatz verantwortlich sind. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2012.
Die kleine Gruppe der Enthusiasten generiert mit 44% den größten Anteil, die zahlenmäßig größere Gruppe der Performance-User kommt auf 30% und die größte Gruppe der Mainstream-User generierten 26% der Umsätze. Ein faires Abfassen der Statistiken, was den Spieleverkauf allgemein angeht, würde im übrigen auch eine klarere Gewichtung Richtung PC verdeutlichen, zumal die so wichtigen digitalen Verkäufe in diesem Bereich bei den Analysten und Marktforschern aufgrund direkter Vergleichbarkeit mit den Konsolen und dem dominierenden Retailmarkt gern unter den Tisch fallen.
Da sind wir nun, bei den Enthusiasten und Performance-Usern. Diese Gruppe, die gerade in Deutschland eine anspruchsvolle und zahlungskräftige Basis bildet, möchte wissen: Quo vadis Gaming-PC? Wobei im Übrigen erwähnt sein sollte, dass die Anschaffung eines Spiele-PCs nicht unbedingt teurer sein muss als die einer Konsole. Den Beweis in Form eines direkten Vergleichs (Anschaffungskosten Gerät + 47 Spiele) haben die Kollegen von IGN-Deutschland bereits vor zwei Jahren in einem Beitrag erbracht. Nun aber zur Desktop-Spielekiste: Nach dem Motto, kleiner, schneller, leiser, sollte meiner Meinung nach dennoch die Vernunft und der Pragmatismus die Oberhand behalten. Werden wir doch mal konkret und betrachten uns den aktuellen Markt und schauen, was uns die Industrie anbietet und was sie verspricht, denn bekanntlich sind das ja meist zwei unterschiedliche Dinge.
In Sachen Prozessor führt faktisch kein Weg an Intel vorbei. Konkurrenz ist quasi nicht vorhanden und auch nicht in Sicht. AMD sieht zur Zeit seine Chancen anderswo im Markt. Bei einem Intel Core i7 darf sofort zugeschlagen werden, da die Leistung maßlos und der Preis zur Zeit sehr gut ist. Da die nächste Generation noch auf sich warten lässt und selbst der neue Haswell-E ohne echten Leistungszugewinn bei einem 6- oder 8-Kerner zwischen 500 und circa 1100 Dollar liegen wird, nehmen wir lieber, was gerade da ist, denn seien wir ehrlich, mehr Leistung brauchen wir nicht.
Bei den Grafikkarten bietet sich dasselbe Bild wie seit Jahren. AMD und Nvidia duellieren sich auf ähnlichem Niveau, ohne mit besonderen Innovationen zu glänzen. Ob wir uns für eine Radeon R9 280 oder 290 entscheiden oder für eine GTX 770 oder 780 bleibt uns selbst überlassen, denn so schnell wird sich weder das Hardwareangebot noch die Softwareanforderung ändern. Die beiden Unternehmen konzentrieren sich zur Zeit sowieso eher auf den mobilen Markt und behandeln den Desktopbereich im oberen Segment mit wenigen Ausnahmen eher stiefmütterlich. Dies zeigten auch unsere aktuellen Beobachtungen auf der diesjährigen Gamescom vor wenigen Tagen.
DDR-3-Speicher sind schnell, robust, energiesparend und zur Zeit recht günstig. 16GB dürfen es für einen modernen Gaming-PC schon sein, zumal wir gerne Luft nach oben sehen und wer weiss, vielleicht müssen wir das eine oder andere System in den nächsten Jahren virtualisieren. Warten auf DDR4, vor allem wenn man sein Erspartes bereits jetzt zusammen hat, macht nur wenig Sinn, zumal sich die Anschaffung auf alle anderen Komponenten zeitlich wie finanziell stark auswirken würde.
Was das Mainboard betrifft, nun ja, den ATX-Formfaktor dürfen wir behutsam als Auslaufmodell betrachten und greifen, modern wie wir sind, zum Mini-ITX Format, zumal wir mittlerweile keine Verwendung mehr für zusätzliche PCIe oder PCI Slots haben, und das nicht nur weil die meisten MBs mit wirklich gutem Onboard-Sound daherkommen. Will man es diesbezüglich doch etwas spezieller, lassen sich externe Lösungen finden. (Beispielsweise Soundkarte per USB.) Ansonsten erfüllen die kleinen Platinen alle gewohnten Anforderungen. Ein Betrieb mit zwei oder mehr Grafikkarten wäre reine Protzerei und habe ich nicht zuvor etwas von Vernunft erzählt?
Solche Komponenten in einem kleinen handlichen Gehäuse haben nicht nur den Vorteil der Stromersparnis, sodass wir endlich auf große energiefressende Netzteile verzichten können, gepaart mit einer schnellen SSD stellen sie sogar neueste Konsolengenerationen komplett in den Schatten. Was ja auch kein Wunder ist, wie so manch eifriger Konsolero zurecht anmerken würde, schließlich kostet selbst eine Xbox One oder PS4 gerade mal ein Drittel von dem, was wir für eine Gaming-PC-Kiste dieser Art hinlegen müssten. Aber legen wir PC-Spieler der alten Schule nicht schon seit Jahren, wenn nicht sogar seit über zwei Jahrzehnten regelmäßig bei unseren Aufrüstprozessen und Neukäufen solche Summen auf den Tisch? Dafür bekommen wir aber auch etwas, wovon andere nur träumen und sich die zusätzlichen Effekte, Texturen, Auflösungen und Frameraten hinzudenken dürfen. Mittlerweile wissen wir aber auch, dass sich das mit den höheren Anschaffungskosten im Vergleich zu einer neuen Konsole hintenraus ziemlich relativiert, wenn nicht sogar im Einzelfall aufhebt.
Ganz zu schweigen von all den verlockenden Kickstarter-finanzierten PC-exklusiven Spieleperlen der nächsten Jahre. Neben der PC-fixierten, boomenden Indie-Szene, die ich nicht groß erwähnen muss, haben sich zuletzt auch etablierte Studios und zahlreiche Publisher zum PC als Leitplattform bekannt. Wir scheinen die nächsten Jahre ordentlich Spielefutter für unsere Rechner zu bekommen, was sich sowohl in Exklusiv- als auch in Multiplattformtiteln niederschlagen wird, die sich immer weniger als plumpe Konvertierungen zeigen werden, wobei selbst diese, aufgrund des gehobenen technischen Leistungsniveaus der letzten Konsolengeneration, erträglicher erscheinen werden. Die Ankündigungen kommender PC-Titel waren auch auf der diesjährigen Gamescom mannigfaltig. Was optimierte Peripherie angeht, wie mechanische Tastaturen, Laser-Mäuse, Gamepads und Flightsticks, sowie Surround-Headsets und sonstiges Gaming-Gear, die uns helfen können, den PC ins Wohnzimmer an die bequeme Couch zu bringen, hat die Industrie zwar lange Zeit verschlafen, nun glänzt sie langsam mit einem späten Erwachen. Selbst Virtual Reality wird Dank Oculus VR und Facebook zuerst auf dem PC in Serie gehen, es sei denn Sony ist mit der Morpheus schneller fertig.
Zum Schluss kann ich nur sagen, Grund zur Verzweiflung gibt es nicht, selbst wenn der Spiele-PC, so wie wir ihn bisher kannten über kurz oder lang immer seltener werden und sich womöglich im Lauf der Zeit doch zu einem Tablet oder Handheld-Streaming entwickeln wird, sich vielleicht wie eine Konsole anfühlen oder gar als SteamBox neu geboren wird, sterben wird die alte Kiste so schnell nicht. Es mag sogar sein, dass sich in einigen Jahren die Frage nach der Plattform an sich gar nicht mehr stellen wird, da das Cloud-Gaming seinen Durchbruch feiern und der Spieler sich lediglich für das passende Endgerät entscheiden wird, wir werden sehen. Aktuell aber gilt, allem Konsolen-Hype zum Trotz schauen wir optimistisch in die Zukunft und lassen uns nicht von der medial befeuerten Endzeitstimmung verunsichern, denn noch sind wir viele!