Das war der Gipfel

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Dieter Nuhr verbeult den Satire Gipfel in der ARD

Das Ende des Kabaretts as we know it

Ja, eine Ära geht zu Ende und wer dachte, nach Hildebrandts Scheibenwischer ginge es nur bergab, wurde durch Richlings Brillianz eines Besseren belehrt, und wir sahen uns beinahe nahtlos erneut auf den Satire Gipfel gehoben, auch wenn wir den Titel der Sendung einer Namensstreitigkeit beider Herren zu verdanken haben. Jedenfalls gab es in der ARD doch weiterhin etwas, was man guten Gewissens schauen konnte, selbst wenn Richling zum Schluss die Doppelbelastung, der Quotendruck und der stille Widerstand gegen den Versuch einer inhaltlichen Neuausrichtung der Sender immer mehr anzumerken war. Nachdem der Bayerische Rundfunk aus der Produktion ausstieg und der WDR, sowie der RBB, aufgrund aktueller Zielgruppenverjüngungszwänge immer mehr inhaltlichen Einfluss geltend machen wollten, blieb Richling nicht mehr übrig, als die Segel zu streichen. Offiziell nannte er das „Studio Richling“ beim SWR als „hauptsächliches Betätigungsfeld“, wo er sich nun „in vielfältiger Weise verwirklichen“ könne und schliesslich habe er mit dem Satire Gipfel „bereits das erreicht“, was er „angestrebt“ hatte. So schien der Abschied fast wie eine Erleichterung, wären da nicht noch wohlgesetzte Spitzen wie „konzeptionelle Unklarheit“ oder „inhaltliche Belanglosigkeit“ eventueller Nachfolgesendungen im Interview mit der FAZ zu vernehmen gewesen.

Nuhr ein Griff ins Klo

Die prompte Akquise Dieter Nuhrs sowie der gruselige Wechsel im ARD Vorstand (Monika Piel) stehen allgemein für eine Neuausrichtung des öffentlichen Fernsehens, welches nun umso mehr das bittere Aroma eines Orwell´schen Macht- und Konzernmediums im Sinne von Schwarz-Gelb im „Superwahljahr“ 2011 verströmt und das bald in engster Zusammenarbeit mit der Springer Presse. Deutlicher wird es, wenn die neue ARD Intendantin über „Bildungsauftrag“, die „Bedrohung Internet“, „Freie Inhalte als Geburtsfehler des Netzes“ oder „Zusammenschluss von Qualitätsmedien“ zu schwafeln beginnt.

Dieter Nuhr, den ich früher wirklich noch lustig fand, selbst heute noch zu einigen Pointen fähig, vorausgesetzt er wird nicht politisch, entblößte, vor nicht allzu langer Zeit in einem Fernsehformat seiner Bühnenshow, ebenfalls in der ARD, seine neoliberale Fratze, als er dreist und unfair über den Sozialstaat, untere Schichten und ob seiner offensichtlichen Unkenntnis der Hartzgesetze, über bedürftige Menschen herzog. Zumindest bei mir ist er seitdem unten durch.

Gäste geben alles

Nun der Satire Gipfel. Angesichts der Gästeliste vom 20.01.2011 war ich bereit, dem Relaunch eine Chance zu geben und unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Der exzellente Alfred Dorfer, ein Meister seines Fachs, glänzte erwartungsgemäß durch bissige Systemkritik , aufrüttelnde Ironie und schloss mit geradezu putzigem Zynismus, als er die Wähler einer Demokratie mit wild herumlenkenden Gören in einem auf Schienen fahrenden Kinderkarussell verglich.

Herrn Nuhr war das freilich zu pessimistisch, worauf  er dummdreist jeglichen gesellschaftlichen Widerstand als Luxus und Empörung als „doof“ betitulierte, uns ginge es so gut wie nie, wir würden grundlos mit „hängenden Schultern und Mundwinkeln durchs Leben“ gehen. Schwarz-Gelbe Propaganda in einer „Satire“-Sendung? Systemkritik? Fehlanzeige. Ironie? Keine Spur! Im Gegenteil. Nuhr legt nach mit der bei Konservativen so beliebten Kampagne gegen DIE LINKE, nennt Zahlen, wie die 80-100 Millionen Toten, die der Kommunismus im Laufe der Geschichte verursacht hätte, seiner Meinung nach so passend zur aktuellen Kommunismus-Debatte, lediglich die Tatsache außer Acht lassend, dass es in der Geschichte bisher, mangels der guten Seele und des solidarischen Wesens der Menschheit, ein Kommunismus nach Marx und Engels nirgendwo realisiert wurde. Probleme lägen eher daran, dass „jeder dritte Euro“ für den Sozialstaat ausgegeben würde, womit Nuhr erneut die rechte Werbetrommel rührte. Ein höchst bedauerlicher Rückfall in die Hetze der fünfziger Jahre, wie die Nachdenkseiten.de so passend bemerkten.

Der Auftritt von Andreas Rebers war hiernach die Erlösung und sein Bekenntnis, er sei ja „links“, wog doppelt schwer, wirkte beinahe trotzig angesichts der Nuhr´schen Linientreuheit. Der einmalige Rebers kann nichts falsch machen, liess er sich doch aufgrund seines Facettenreichtums bisher nie in eine Schublade stecken. Gewohnt politisch inkorrekt und verstörend auf den Punkt verkörperte er den zweiten, aber auch letzten Höhepunkt dieser im Grunde peinlichen Ausstrahlung.

Der „legére“ Moderator brachte schliesslich nach Auftritten von Tina Teubner und Matze Knop die lächerliche Veranstaltung mit ein paar mehr oder weniger gelungenen Punchlines, jedoch mit weit mehr dumpfen Mainsteamparolen, zu einem heiß erwarteten Ende. War eine solche Umsetzung des Formats auch nicht unerwartet, fiel sie dennoch enttäuschend aus, zumal Herr Nuhr in einem TAZ Interview im Vorfeld vollmundig versprach, „das Publikum zu irritieren und zum Selberdenken zu bringen“. „Sinn der Satire“ sei, „dass man ein bisschen dran zu beißen“ habe. „Für mich ist Comedy in erster Linie lustig, und Kabarett legt Wert darauf, über Gott und die Welt und Realität zu sprechen. Ich versuche beides.“ Das, Herr Nuhr, ist gründlich misslungen! Ein eklatanter Fehlstart, könnte man sagen, wenn man es nicht besser wüsste und sicher davon ausgehen kann, dass es sich hierbei um Kalkül handelt. Eine wertvolle Sendung ist tot, das Format ist auf Linie gebracht, wird dem bürgerlichen Lager ein paar Stimmen mehr einbringen und viele Satirefreunde frustriert zurücklassen, die sich nun vermehrt und zurecht dem ZDF und „Neues aus der Anstalt“ zuwenden werden, wo sie zumindest NOCH „zeitgemäßes Kabarett auf den Bildschirm“ bekommen, wie selbst die FAZ meint.

Rechtsruck statt Rotfunk

Das Abfeiern der Deppenpresse, wie beispielsweise die Märkische Allgemeine, ist so logisch wie schleimig, bescheinigt sie Richling doch „pietistische“ Wirkung, Nuhr jedoch sei „abgeklärt, sonor und gelassen“. Ja, die Tendenz ist klar! Anspruch und Niveau, Takt, Respekt und Würde haben keinen Platz mehr in der sich angeblich so rasant verändernden deutschen Medienlandschaft.

War diese Demontage einer Satire-Institution im „Ersten“ auch nur ein Schritt von vielen, so war er doch ein bedeutender in die „rechte“ Richtung. So heisst es heute umso mehr: Schund im Fernsehen gibts zuhauf, drum Augen und Ohren auf!

Labrador Nelson für N E T Z P U N K – 22.01.2011